Die Good Distribution Practice (GDP) sorgt weiterhin für kontroverse Meinungen auf dem Apothekenmarkt. Grundsätzlich sollen gleiche Regeln für den Transport und die Lagerung von Arzneimitteln bei Apotheken, Pharmagroßhändlern und Online-Apotheken gelten. Die beteiligten Logistiker sind ebenfalls gefragt. Zwar wird das Thema aktuell auch auf politischer Ebene viel diskutiert, eine perfekte Lösung scheint trotzdem noch nicht gefunden. Dabei gibt es eine immer größer werdende Menge an Arzneimitteln, die kühlkettenpflichtig sind und somit eine besondere Handhabung benötigen. Die Regeln für den Transport und die Lagerung dieser sensiblen Medikamente sind allerdings alles andere als angemessen.
Erst im Juli 2019 gab es den weltweit heißesten Monat seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Für den Umgang mit Arzneimitteln, die ständige Temperaturen von +2°C bis +8°C weder unter- noch überschreiten dürfen, ist das eine zusätzliche Herausforderung. Gleiches gilt mittlerweile immer regelmäßiger für den Temperatur-Bereich Ambient, also +15°C bis +25°C.
Keine Kontrolle bei der Lieferung
Mit Blick auf die Lieferkette gibt es diverse Schwachstellen. Sobald ein Arzneimittel das Gelände des Herstellers verlässt, gibt es häufig unzureichende Kontrollen in Bezug auf die Transportbedingungen. Was in einem Schiffs-Container oder im Flugzeug passiert, ist beispielsweise weitestgehend unbekannt.
Bei welcher Temperatur die Logistiker die Medikamente kühlen, ist in der Regel nicht umfassend dokumentiert. So findet bis heute weites gehend der risikobasierte Nachweis Einsatz. Dieser verlangt lediglich bei einer Stichprobe den Nachweis der Kühlkette. Weiterhin geht er davon aus, dass alle Folgesendungen ebenfalls im Rahmen der Transportgrenzen liegen. Dies ist gerade bei passiven Kühlsystemen häufig problematisch, da etwa bei direktem Kontakt der temperaturempfindlichen Arzneimittel mit einem der Akkus das Produkt einfriert. Durch den veränderten Aggregatzustand ist die Wirksamkeit eines Medikaments nicht mehr gewährleistet.
Veraltete Technik darf nicht der Standard sein
Häufig genutzte Werkzeuge, wie das Minimum-Maximum-Thermometer, geben zwar Auskunft über die höchste und niedrigste Temperatur, die eine Ware während des Transports erfahren hat. Der Zeitraum, über den das Arzneimittel dieser Temperatur ausgesetzt war, wird nicht erfasst. Die Aussagekraft der Messung ist somit meist irrelevant.
Dabei geht es doch anders. Andreas Biermann, Leiter Logistik, Ver- und Entsorgung bei Dekra Certification, sagt dazu in einem Interview mit der Apotheker Nachrichtenseite Apotheke Adhoc:“ Andere [Logistiker] haben immerhin einen Schreiber in den Kühlbehältern, der aufzeichnet und eventuell ausgewertet werden kann. Im digitalen Zeitalter wäre es aber technisch ohne Weiteres möglich, eine Online-Überwachung der Temperatur zu gewährleisten.“
Ein System mit Lücken
Dabei gibt es mit den GDP-Richtlinien eine europaweite Norm für den Umgang mit medizinischen Produkten. Fraglicher Weise kommen diese nicht bei der gesamten Versorgungskette zum Einsatz. Wer genau sich an die Richtlinien halten muss und für wen es nur grobe Vorgaben sind – eine Übersicht:
Pharmahersteller: Die Produzenten von Arzneimitteln sind durch eigenes Qualitätsmanagement und Wareneingangskontrollen Teil der GDP. Sobald das Produkt ihr Gelände verlässt, ist es allerdings außerhalb der Verantwortung des Herstellers.
Logistikdienstleister: Die an der Lieferkette beteiligten Logistiker sind an die GDP gebunden. In welchem Maße sie sich an die teils strengen Vorgaben halten und beispielsweise Temperaturabweichungen dokumentieren, ist nicht einheitlich gegeben.
Apotheken: Apotheker sind verpflichtet, Arzneimittel in einem dafür vorgesehenen medizinischen Kühlschrank aufzubewahren und die Temperatur regelmäßig zu kontrollieren. Beim Botendienst sieht der Gesetzesentwurf zur „Stärkung der Vor-Ort-Apotheken“ eine Pflicht zur Temperaturkontrolle vor.
Deutsche Online-Apotheken: Der oben genannte Gesetzesentwurf, der im kommenden Jahr in Kraft treten soll, gilt auch für Online-Apotheken und Versandhändler, die ihren Sitz in Deutschland haben.
Internationaler Versandhandel: Online-Versandapotheken, die ihren Sitz nicht in Deutschland haben, aber nach Deutschland liefern, sind rechtlich nicht an die GDP gebunden. Hier gilt die Gesetzeslage in dem Staat, aus dem das Unternehmen stammt. Eine europaweite, rechtlich bindende Regelung gibt es nicht.
Gleiche Regeln für alle Beteiligten
Bei kühlkettenpflichtigen Medikamenten müssen gleiche Bedingungen für alle Beteiligten gelten. Die internationalen Versand-Apotheken müssen am gleichen Strang wie alle anderen ziehen. Es ist niemandem geholfen, wenn das Arzneimittel korrekt gekühlt vom Produzenten verschickt wird und es dann während der Lieferung zur Apotheke über einen längeren Zeitraum zu hohen Temperaturen ausgesetzt ist. Ein Apotheker oder Versandhändler kann die Wirksamkeit seiner Arzneimittel nur gewährleisten, wenn diese bis zur Übergabe an den Patienten dauerhaft und ununterbrochen in den vom Hersteller vorgeschriebenen Temperaturbereich gelagert und transportiert wurden.
Den Botendienst und Versandhändler mit in die strikten Regularien der GDP einzubinden, ist ein erste Schritt in die richtige Richtung. Der nächste Hitzerekord kommt mit Sicherheit, vermutlich eher früher als später. Auf deutsche Apotheker kommt damit eine Menge Arbeit zu. Ein wichtiger Teil dieser Entwicklung sind moderne Kühllösungen, die diverse Tracking-Möglichkeiten bieten und automatische Dokumentationen anfertigen.